Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Ihre Rechte, Ihre Pflichten und die Hintergründe

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Ihre Rechte, Ihre Pflichten und die Hintergründe

1. Warum dieses Gesetz wichtig ist

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) hat Deutschland die europäische Richtlinie (EU) 2019/882 – den European Accessibility Act – in nationales Recht umgesetzt (BMAS, 2021).

Ziel ist es, die Zugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen, insbesondere im digitalen Bereich, zu verbessern und so Menschen mit Behinderungen, älteren Personen und allen anderen Nutzergruppen einen gleichberechtigten Zugang zu ermöglichen (Bundesregierung, 2023).

Barrierefreiheit ist damit nicht länger nur eine freiwillige Option, sondern eine verbindliche gesetzliche Anforderung.

2. Entstehung und Gesetzgebungsverlauf

Der Referentenentwurf wurde am 1. März 2021 veröffentlicht (BMAS, 2021), gefolgt vom Regierungsentwurf am 24. März 2021. Die Verabschiedung im Bundestag erfolgte am 16. Juli 2021 (Wikipedia, 2024).

Am 15. Juni 2022 trat zusätzlich die Barrierefreiheitsstärkungsverordnung (BFSGV) in Kraft, die konkrete technische Anforderungen und Prüfverfahren festlegt (Bundesfachstelle Barrierefreiheit, 2022).

3. Inkrafttreten und Übergangsfristen

Das BFSG wird ab dem 28. Juni 2025 vollständig wirksam (BMAS, 2021). Ab diesem Stichtag dürfen neue Produkte und Dienstleistungen, die unter das Gesetz fallen, nur noch auf den Markt gebracht oder angeboten werden, wenn sie die festgelegten Barrierefreiheitskriterien erfüllen.

Übergangsfristen:

Dienstleistungen, die auf nicht barrierefreien Produkten basieren, dürfen bis zum 27. Juni 2030 weitergeführt werden (Bundesregierung, 2023).

Selbstbedienungsterminals wie Geldautomaten dürfen maximal bis 27. Juni 2040 weiter betrieben werden, sofern sie vor dem Inkrafttreten installiert wurden (VdK, 2024).

4. Wer ist verpflichtet – und wer nicht?

Adressaten des Gesetzes sind Hersteller, Händler, Importeure und Dienstleistungserbringer, deren Angebote sich an Verbraucherinnen und Verbraucher richten (Bundesfachstelle Barrierefreiheit, 2022).

Ausnahmen:

Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme unter zwei Millionen Euro sind bei Dienstleistungen weitgehend ausgenommen (VdK, 2024).

Angebote, die ausschließlich für den geschäftlichen Gebrauch bestimmt sind (B2B), fallen nicht unter die Regelungen (Anwalt.de, 2023).

5. Pflichten im Detail

Produkte müssen ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, eine EU-Konformitätserklärung erhalten und mit der CE-Kennzeichnung versehen werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen (Bundesfachstelle Barrierefreiheit, 2022). Dienstleistungen dürfen nur noch erbracht werden, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Die Überwachung obliegt den Marktüberwachungsbehörden der Länder, unterstützt durch eine zentrale Stelle in Magdeburg (Wikipedia, 2024). Bei Verstößen können Bußgelder, Vertriebsverbote oder Rückrufmaßnahmen angeordnet werden (Bundesregierung, 2023).

6. Rechte für Verbraucherinnen und Verbraucher

Betroffene können ein Schlichtungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) anstoßen (Wikipedia, 2024). Falls die zuständigen Behörden nicht handeln, besteht die Möglichkeit, den Rechtsweg über Verwaltungsgerichte zu beschreiten. Auch anerkannte Verbände dürfen im Namen der Betroffenen tätig werden (BMAS, 2021).

7. Betroffene Produkte und Dienstleistungen

Produkte:

Smartphones, Tablets, Computer und Betriebssysteme

Selbstbedienungsterminals wie Geld- oder Fahrkartenautomaten

Internetfähige Fernseher, E-Book-Reader, Router

Weitere interaktive technische Geräte (Bundesfachstelle Barrierefreiheit, 2022)

Dienstleistungen:

Online-Shops, Ticketverkauf, elektronischer Geschäftsverkehr

Telekommunikationsdienste und Messenger-Apps

Bankdienstleistungen, z. B. Online-Banking

Digitale Anwendungen im überregionalen Personenverkehr (Bundesregierung, 2023)

8. Technische Anforderungen

Die Anforderungen orientieren sich an den WCAG 2.1 Level AA-Standards und der EN 301 549-Norm (Cituro, 2023). Dazu gehören unter anderem:

• Mehrkanalige Nutzbarkeit (z. B. visuell und auditiv)

• Sprachausgabe bei Automaten mit anpassbarer Lautstärke und Geschwindigkeit

• Hoher Farbkontrast, klare Schriftarten, verständliche Sprache

• Textalternativen für Bilder und Untertitel für Videos (Bundesregierung, 2023)

9. Ausblick und Empfehlung

Das BFSG ist ein Meilenstein für digitale Inklusion in Deutschland. Erstmals werden auch private Anbieter in breitem Umfang verpflichtet, Barrierefreiheit als Standard umzusetzen (BMAS, 2021).

Empfehlung:

• Prüfen Sie zeitnah, ob Ihre Produkte oder Dienstleistungen betroffen sind.

• Beginnen Sie frühzeitig mit der Anpassung von Webseiten, Apps und Geräten.

• Nutzen Sie die Übergangsfristen, um konforme Lösungen zu entwickeln.

Wer rechtzeitig handelt, vermeidet nicht nur Sanktionen, sondern verbessert auch die Zugänglichkeit und Nutzerfreundlichkeit für Millionen Menschen in Deutschland.

 

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